Vom „Zuchthäusle“ bis zur württembergischen Rarität: Die Henri-Arnaud-Kirche in Ötisheim-Schönenberg blickt auf eine bewegte Geschichte zurück – vom einfachen Fachwerkbau zur neoromanischen Kirche mit besonderer Symbolkraft für die Waldensergemeinde.
Ötisheim-Schönenberg. Am östlichen Rand des Teilorts Schönenberg erhebt sich ein besonders geschichtsträchtiges Bauwerk: die Henri-Arnaud-Kirche – einst evangelische Waldenserkirche, heute evangelisch-lutherisches Gotteshaus mit französischem Namen und einzigartiger Bauweise. Benannt nach dem Waldenserführer Henri Arnaud, ist sie nicht nur ein religiöses, sondern auch ein kulturelles Denkmal Baden-Württembergs.
Die Anfänge der Kirche reichen zurück ins Jahr 1719, als die Schönenberger – gegen den Widerstand des Herzogs Eberhard Ludwig – ein eigenes Gotteshaus errichteten. Zuvor mussten sie in die Peterskirche nach Dürrmenz ausweichen. Henri Arnaud selbst sammelte Gelder für den Bau, um der Gemeinde kirchliche Unabhängigkeit zu ermöglichen. Die erste Kirche bestand aus Fachwerk, diente zugleich als Ratsstube und hatte unter der Treppe sogar ein kleines Gefängnis – das sogenannte „Zuchthäusle“.
Ein Symbol für Identität und Selbstbestimmung
Obwohl Arnaud die Verlegung des Pfarrsitzes nach Schönenberg anstrebte, blieb die Kirche eine Filiale von Dürrmenz. Seine Bemühungen unterstrichen jedoch den Wunsch der Waldenser, ihre kulturelle Identität zu bewahren. 1858 war das Gebäude baufällig, eine Orgel fehlte, der Altar bestand aus einem schlichten Tisch. Ein neues Kirchenbaukomitee wurde gegründet, aber erst 1882 fiel der Entschluss für einen Neubau.
Vom Fachwerk zur neoromanischen Pracht
Der heutige Bau stammt aus dem Jahr 1883 und wurde
vom renommierten Architekten Christian Friedrich von Leins im neoromanischen Stil entworfen. Er ließ sich unter anderem vom Kloster Maulbronn inspirieren. Der rote Sandsteinbau mit seinem markanten Kirchturm erinnert architektonisch an die Comburger Stiftskirche.
Im Inneren zeigen sich stilprägende Elemente des Historismus. Besonders eindrucksvoll: die achteckige Sandstein-Taufe, eine detailreiche Kanzel sowie der silberne Abendmahlkelch aus dem Jahr 1704. Die heutige Orgel stammt aus dem Jahr 1883, gefertigt von Karl Schäfer aus Heilbronn. Die Glocken überstanden nur teilweise die Weltkriege, wurden aber nach und nach ersetzt – zuletzt 1950 von der Gießerei Bachert in Heilbronn.
Ein Ort der Erinnerung
Ein weiteres herausragendes Merkmal ist die Grabplatte Henri Arnauds mit der Inschrift:
„Siehe da Arnauds Asche, doch seine Taten und Leiden / Und ungebeugten Mut niemand zu schildern vermag …“
Heute ist die Henri-Arnaud-Kirche nicht nur ein Ort des Gottesdienstes, sondern auch ein Denkmal für Widerstand, Glaube und das kulturelle Erbe der Waldenser. Als einzige Kirche Württembergs mit einem französischen Namen steht sie sinnbildlich für die lange Geschichte von Migration, Integration und Selbstbehauptung.
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