Vom Maulbeerbaum zur Gedenkstätte: Der Ötisheimer Teilort Schönenberg blickt auf über 300 Jahre Geschichte zurück – geprägt durch die Waldenser, Henri Arnaud und ein außergewöhnliches kulturelles Erbe, das bis heute sichtbar ist.
Ötisheim-Schönenberg. Eingebettet in die Hänge des Strombergs liegt Schönenberg – ein Ortsteil der Gemeinde Ötisheim im Enzkreis, der mehr als nur ein ländlicher Weiler ist. 1699 vom Waldenserführer Henri Arnaud gegründet, entwickelte sich der Ort vom Zufluchtsort zu einem bedeutenden Zeugnis des europäischen Protestantismus.
Ursprünglich unter dem Namen Des Mûriers – französisch für „Maulbeerbäume“ – bekannt, sollte auf dem Gelände Seidenraupenzucht betrieben werden. Arnaud kaufte mehrere Morgen Land auf dem sogenannten Sauberg von den Ötisheimern, mit offizieller Unterstützung des Herzogs Eberhard Ludwig. Die erste Siedlergruppe, bestehend aus rund 15 Familien mit 55 Personen, kam aus dem französischen Piemont, unter anderem aus Vars, Queyras und dem Pragelatal.
Das Waldenserdorf nimmt Gestalt an
Trotz anfänglicher Misserfolge im Maulbeeranbau wuchs die kleine Kolonie. Eine eigene Gemarkung von 47 Hektar wurde eingerichtet, und schon früh zeigte sich der Gemeinschaftsgeist der Waldenser. 1849 errichteten sie eine Schule, die auch als Rathaus diente. Heute erinnert das Waldensermuseum, das im ehemaligen Wohnhaus Arnauds untergebracht ist, an diese Gründungszeit.
Henri-Arnaud-Kirche – Symbol eines besonderen Glaubens
Im Jahr 1719 errichtete Arnaud die erste Kirche, in der er auch bestattet wurde. 1883 wurde der ursprüngliche Bau abgerissen, um der heutigen Henri-Arnaud-Kirche Platz zu machen
– entworfen vom Kirchenbaumeister Christian Friedrich von Leins im neoromanischen Stil. Die Kirche ist bis heute die einzige evangelische Kirche in Württemberg mit französischem Namen und beherbergt Arnauds Grabplatte mit einer bewegenden Inschrift.
Kulturelles Zentrum der Waldenser in Deutschland
Schönenberg ist nicht nur Gründungsort der Deutschen Waldenservereinigung e. V. (1936), sondern auch Austragungsort zahlreicher Gedenkveranstaltungen – wie der 200-jährigen Jubiläumsfeier 1899 oder der Errichtung der Henri-Arnaud-Statue im Jahr 1993. Das Museum zeigt unter anderem Trachten, Bibeldrucke, sakrale Gegenstände sowie persönliche Erinnerungsstücke der Waldenser.
Heute: Ländlich, geschichtsträchtig und gut angebunden
Mit rund 80 Häusern, sechs Scheunen und einem Wirtshaus ist Schönenberg ein kleiner, aber strukturierter Ortsteil. Zwar gibt es heute keine aktiven Landwirte mehr im Ort, doch ist er gut an das Verkehrsnetz angeschlossen – mit dem Haltepunkt Ötisheim der Westbahn in Laufnähe sowie einer Buslinie nach Mühlacker und Dürrn.
Schönenberg steht heute als Beispiel für religiöse Toleranz, Flucht, Integration und das Festhalten an Identität und Kultur. Ein Ort, der zeigt, wie aus Vertreibung Gemeinschaft entstehen kann – und der bis heute ein Ort des Erinnerns ist.
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